Tagung 2022
5. bis 6. Oktober 2022 in Saarbrücken

"Europa(-Welten) im Umbruch –
Grenz(ziehung)en im Wandel"
Gemeinsame Tagung der Deutschen Akademie für Landeskunde (DAL) sowie der Arbeitsgruppe Europastudien und des Clusters für Europaforschung (CEUS) der Universität des Saarlandes
Die Tagung fand am 5. und 6. Oktober 2022 und die DAL-Mitgliederversammlung am 7. Oktober 2022 in Saarbrücken statt.
Die Jahrestagung der Deutschen Akademie für Landeskunde (DAL) richtete im Jahr 2018 mit der “Perspektive: Regionale Geographien” einen Fokus auf regionalisierende Forschungszugänge und deren Potenziale, wobei in diesem Zuge ein besonderes Augenmerk auf das (Wechsel-)Verhältnis zum Feld der “Area Studies” gerichtet wurde. Die gemeinsame Tagung der DAL mit der Arbeitsgruppe Europastudien und dem Cluster für Europaforschung (CEUS) der Universität des Saarlandes wird im Jahr 2022 den angestoßenen Diskussionsprozess in einer interdisziplinären Perspektivierung aufgreifen und fortführen: Eine Schwerpunktsetzung erfolgt in Richtung der “European Studies” auf eine theoretisch-konzeptionelle und empirisch ausgerichtete Analyse “Europas” im Wandel – mit einem besonderen Interesse für komplexe Grenz(ziehung)en jenseits einfacher physisch-territorialer Differenzierungen.
Bereits die Begriffsgeschichte “Europas” ist durchaus “spektakulär”: Der griechischen Mythologie folgend wurde die phönizische Königstochter “Europe” von Zeus in Stiergestalt nach Kreta entführt und verführt – der Ausgangspunkt zur Benennung der umgebenden Region. In der Antike erschien Europa als ein diffuser Raum nördlich des Mittelmeers, auf griechischer Kultur und römischer Rechtsbildung fußend – neben den weiteren “Erdteilen” Asien und Afrika. Europa wurde im Verlauf der Geschichte zum Abendland des Christentums mit diffusen und sich regelmäßig verschiebenden Grenzen. Auffällig ist aus geographischer Perspektive, dass sich die Grenzziehung zeitweise immer stärker in östliche Richtung verlagerte: So verorteten Carl Ritter und Elisée Reclus diese Mitte des 19. Jahrhunderts am Ostabhang des Urals – eine Differenz, die bis zum Zweiten Weltkrieg in vielen Statistiken für Angaben zu “Europa” herangezogen wurde. Nach dem Epochenbruch der beiden Weltkriege ist die Konstitution bzw. (Re-)Produktion Europas zunehmend mit dem Weg hin zur Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten “vom Westen Europas” ausgehend verbunden. Hinzukommen weitreichende nationalstaatliche Neuordnungen mit raumbezogenen Konflikten und sich wandelnden Regionalisierungsprozessen.
Damit ergeben sich vielfältige Ansatzpunkte und Fragestellungen zu “Europa-Welten” im Mehrebenengeflecht von “Europa in der Welt” bis zum Lokalen – und dies mit einem Blick “von innen”, aber auch einem Blick “von außen” auf europabezogene Umbrüche. In den letzten Jahren erlangten Aushandlungsprozesse um den BREXIT und die so bezeichnete “Flüchtlingskrise” besondere Aufmerksamkeit, womit gerade die Außengrenzen der Europäischen Union mit ihren Grenzregimen in den Fokus rückten. Seit dem Frühjahr 2020 stehen nunmehr auch die europäischen Binnengrenzen unerwartet im Scheinwerferlicht: Mit der Covid-19-Pandemie wurden im “Herzen Europas” in Teilen verstärkte Grenzkontrollen bzw. Grenzschließungen umgesetzt, was im Schengen-Raum eine Zäsur für die scheinbare Gewissheit offener Grenzen bedeutete und Fragen nach Entwicklungsperspektiven für grenzüberschreitende Kooperationen und die Krisenfestigkeit von Grenzregionen stellt, denn immerhin gut ein Drittel der EU-Bevölkerung lebt in “Grenzregionen”.
Für die forschungsbezogene Auseinandersetzung ergeben sich vor dem skizzierten Hintergrund mehrere zu diskutierende Themenfelder und hochaktuelle Fragestellungen:
- Auf theoretisch-konzeptueller Ebene geht es um eine Positionsbestimmung der European Studies innerhalb der Area Studies und der “Verortung” geographisch-raumbezogener Zugänge. Hinzu kommen Fragen nach disziplinären und interdisziplinären Zugriffen und aktuellen Impulsen.
- In etwas stärker “anwendungsbezogener” Ausrichtung soll dem Werden “Europas”, den sich transformierenden Beziehungen Europas “zur Welt” sowie der heutigen Europäischen Union Aufmerksamkeit geschenkt werden, dabei auch den Diskussionsprozessen um das Europa der Regionen und Regionalisierungsprozessen.
- Zudem – und damit eng verbunden – wird vielfältigen Grenz(ziehung)en Beachtung zuteil: Mit den Border Studies haben sich mit konstruktivistischer Ausrichtung verstärkt seit den 1990er Jahren Forschungsausrichtungen auf “Grenzen” jenseits einer einfachen territorialen Fokussierung ergeben, die für “europabezogene“ Fragestellungen in hohem Maße fruchtbar gemacht werden können.
Im Nachgang zur Tagung wird ein Sammelband zu europäischen und darüber hinausgehenden Transformationsprozessen entstehen, der von Florian Weber, Olaf Kühne und Julia Dittel bei Springer VS herausgegeben wird. Interessierte können sich bis 15. November 2022 am Call for participation beteiligen.
Programm
MI, 5. OKTOBER
Graduate Center (Gebäude C9 3)
17:00 Uhr
Eintreffen der Teilnehmer:innen
17:30 Uhr
Eröffnung der Tagung
- Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne
(erster Vorsitzender der DAL, Universität Tübingen) - Jun.-Prof. Dr. Florian Weber
(zweiter Vorsitzender der DAL, Mitglied im Direktorium des CEUS, Universität des Saarlandes)
18:00 Uhr
Keynote
- Prof. Dr. Paul Reuber
(Westfälische Wilhelms-Universität Münster): “Grenzen in Europa als Geographien des Politischen. Konzeptionelle Perspektiven und empirische Beispiele”
anschließend Umtrunk & Imbiss
DO, 6. OKTOBER
Raum E.23 (Gebäude C5 3)
09:00 Uhr Panel 1:
Europe & beyond: Polarisierungen und Hybridisierungen (Moderation: Jun.-Prof. Dr. Florian Weber)
- Prof. Dr. Daniela Braun (Universität des Saarlandes):
“Souveränitätsansprüche europäischer Parteien in einem zunehmend polarisierten Europa”
- Prof. Dr. Georg Wenzelburger (Universität des Saarlandes): “Präferenzen für Umverteilung und Wahl rechtspopulistischer Parteien in Europa.”
- Lara Koegst & Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne (Universität Tübingen): “Beyond Europe: Landverluste in Louisiana – komplexe Verhältnisse raumzeitlicher Hybridisierungsprozesse zwischen Wasser und Land, Mensch und Natur”
Kaffeepause
11:00 Uhr Panel 2:
Europäische Zäsuren und die Border Studies (Moderation: Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne)
- Cedric Jürgensen (Universität Leipzig): (Re)Bordering Europe? Potenziale der Grenzforschung für die Erforschung von Desintegrationsprozessen (und vice versa) am Beispiel des Brexits
- Julia Dittel & Jun.-Prof. Dr. Florian Weber (Universität des Saarlandes): Die Covid-19-Pandemie als Impulsgeber resilienterer Kooperation in Grenzregionen
- Stefan Hippe & Prof. Dr. Tobias Chilla (FAU Erlangen-Nürnberg): Resilienz in Krisenzeiten – Grenzregionen und innerstaatliche Regionen im Vergleich
Mittagsimbiss
13:30 Uhr Panel 3:
Territorialisierungen und die Großregion (Moderation: Julia Dittel)
- Dr. Jens Temmen (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) & Dr. Andrea Wurm (Universität des Saarlandes): Von “Saarabien” zur EU: Europäische Diskurse der Extraterritorialität im Wandel der Zeit
- Isis Luxenburger (Universität des Saarlandes): Die Darstellung der Großregion als Grundstein Europas im Industriefilm
- Alexandra Lampke (Universität des Saarlandes): Europäische Energiediskurse: Energy Borderlands in der Grenzregion SaarLorLux
Kaffeepause
15:30 Uhr Podiumsdiskussion:
Perspektiven für die interdisziplinäre Europa- und Grenzraum-Forschung
- Prof. Dr. Tobias Chilla (FAU Erlangen-Nürnberg)
- Prof. Dr. Daniela Braun (LMU München/Universität des Saarlandes)
- Prof. Dr. Paul Reuber (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
- Jun.-Prof. Dr. Florian Weber (Universität des Saarlandes)
Moderation:
Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne (Universität Tübingen)
19:00 Uhr Abendessen
fakultativ, auf Selbstzahler:innen-Basis
FR, 7. OKTOBER
Raum E.23 (Gebäude C5 3)
– für Mitglieder der DAL
9:00 Uhr
Strategiesitzung der DAL
11:00 Uhr
Mitgliederversammlung der DAL
Kontakt & Anfahrt
Kontakt
Kontakt und Ansprechpartner für weitere Informationen:
Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne
Universität Tübingen
E-Mail: olaf.kuehne@uni-tuebingen.de
Jun.-Prof. Dr. Florian Weber
Universität des Saarlandes
E-Mail: florian.weber@uni-saarland.de
Teilnahmegebühr
Für die Tagung wird ein Teilnahmebeitrag in Höhe von 60 Euro für Vollzahler:innen und 45 Euro für Bachelor- und Masterstudierende erhoben.